Seltener Gartenschläfer in Not
Dieser kleine Kerl wurde hilflos am Waldrand aufgefunden. Was genau passiert war, kann niemand sagen. Grosses Glück war, dass sich die aufmerksame Finderin des possierlichen Fellknäuels annahm und mit uns in Kontakt trat. Schnell war klar, dass es sich um ein Jungtier eines seltenen Gartenschläfers handelte. Mit seiner «Maske» im Gesicht war der «Zorro» unter den Wildtieren unverkennbar, auch wenn er gerade erst mal 10 Gramm schwer war und die Augen noch geschlossen hatte.
Gartenschläfer (Eliomys quercinus) gehören gemeinsam mit ihren etwas grösseren und wesentlich häufiger vorkommenden Verwandten – den Siebenschläfern – zur Familie der Bilche. Anders als sein Name vermuten lässt, lebt der Gartenschläfer vorwiegend in «wilden» Wäldern mit viel Totholz, dichtem Unterholzbewuchs und Versteckmöglichkeiten. Da dieser Lebensraum leider immer seltener wird, weicht er immer mehr auch auf «kultiviertere Bereiche» mit wilden Obstgärten, Hecken, Holzbeigen und Laubhaufen aus.
Der Gartenschläfer ist durch den Rückgang geeigneter Lebensräume arg in Bedrängnis geraten und seine Bestände in den letzten Jahrzehnten stark zurückgegangen. Hoffnung machen neuerdings Meldungen über Sichtungen in Regionen, in denen der Gartenschläfer lange verschwunden war. Im Kanton Solothurn wurde er nach über 100 Jahren wiederentdeckt (in einem Vogelnistkasten einer Hochstammobstwiese). Und auch unser kleiner Findling stammt aus einem Gebiet, in dem es nur sehr wenige Nachweise von Gartenschläfern gibt: aus dem Berner Seeland.
Wie der Name des grossen Verwandten, des Siebenschläfers, vermuten lässt, schlafen Bilche rund 7 Monate im Jahr. Werden die Temperaturen im Oktober kälter, verkriechen sich die Tiere in Felsspalten, Vogelhäuschen, Scheunen oder auch schon einmal in eine Schrankschublade eines Ferienhäuschens und verschlafen dort den Winter. Zu einem kleinen Fellball zusammengerollt und mit auf ein Minimum reduzierten Körperfunktionen überstehen sie die kalten Monate. Mit einem Herzschlag pro Minute und einer Körpertemperatur, welche rund um den Gefrierpunkt liegt, überdauern sie so die «futterfreie Phase» des Jahres. In dieser Zeit verlieren sie rund die Hälfte ihres Gewichtes, das sie dann in den knappen 6 Monaten «Wachphase» - nebst Paarungszeit und Aufzucht des Nachwuchses - wieder anfressen müssen; eine beachtliche Leistung!
Unser kleiner «Zorro» ist in der Obhut des Wildstationsteam gut herangewachsen und hat ordentlich an Gewicht zugelegt. Mittlerweile konnte er wieder in der Nähe seines Fundortes in die Natur entlassen werden, wo er sich nun, in seinem natürlichen Lebensraum, auf seinen ersten Winterschlaf vorbereiten kann.
Wir freuen uns, dass es uns gelungen ist, den kleinen, seltenen Nager aufzuziehen und in einem geeigneten Lebensraum wiederauszuwildern. Die Chancen stehen also gut, dass er bald für Nachwuchs sorgen – und somit zur Erhaltung des Gartenschläfers in der Schweiz beitragen wird.
Ein Happy End, das Hoffnung schenkt!
Fotos: ©Julie Märki/ Stiftung Wildstation Landshut